Skitouren Davos (statt Oberaletschgebiet) Start Freitagabend 26.4. bis Sonntag 28.4. TW (S/A/ZS+ – S-) Christian Pittrof

Tourengruppe/-TypSektion, Skitour, Tourengruppen-Parent, Tourenleitende
Startdatum26.4.24
Enddatum1.5.24
Anmeldeschluss25.4.24
Anmeldenhttps://touren.sac-hoherrohn.ch/tours/view/ff085051-63af-4338-92c7-ff64386c5662
Beschreibung

26.4.2024 – 1.5.2024 [Fr-Mi] Für das Oberaletschgebiet ist das Wetter vom 26.4. bis zum 1.5. schelcht bzw. instabil angesagt. Wir gehen daher über das Wochenende nach Davos, wo das Wetter dank Föhn hinreichend schön angesagt ist. Das Leidbachhorn oder Chüealphorn könnten lohnende Tourenziele sein.

Die obigen Angaben stammen aus unserem Tourenreservationssystem (climbIT).

Tourenbericht

TeilnehmerInnen
Christian Pittrof
Verhältnisse
sehr gut

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Wer hoch hinaus will nimmt Risiken in Kauf insbesondre beim Aletschhorn. Auf Grund der sehr grossen Schneemassen und der Föhnlage war es schon Tage im Voraus klar, dass die Tour nicht statt finden kann. So zogen sich die meisten Teilnehmern zurück und am Schluss bildeten Christian Pittrof und ich die Sektionstour. Die Grosswetterlage brachte uns nach Davos, das bereits im charmanten Zwischensaisonschlaf verfallen war. Um Sa. und So. eine Tour unternehmen zu können, fuhren wir am Fr. Abend an und checkten im sehr empfehlenswerten sehr sorgfältig renovierten «Alpine Inn» ein.
Ich greife den Ereignissen von So. vor und halte mich für die Sa. Tour sehr kurz. Wir überschritten von Glaris kommend das Leidbachhorn und fuhren das sehr steile Couloir nach Sertig ab. Eine Bilderbuch Tour wie es im Buch steht. Weiter Details siehe beschriftetes Bild. Als Ausgleich blieb am Mittag Zeit, das Kirchner Museum zu Besuchen. Kirchner selbst, die Architektur uns sorgfältige Kuration ist ein Besuch wert.

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Liebe SAC Hoher Rohn Leser
Am Sonntag, den 28. April 2024, um 12:05 Uhr, hatte ich (Philipp) einen Selbstunfall am Gross Ducan. Ich teile diese Information im Sinne des Erfahrungsaustauschs und des Lernens durch das Teilen von Fakten. Dies ist meine persönliche Entscheidung und hat keine Verbindung zu meinem Amt, anderen Bergängern und ähnlichen Vorfällen. Jeder Betroffene hat das Recht, Unfälle auf seine eigene Weise zu verarbeiten. Daher wäre es unangebracht aus diesem Text Schlussfolgerungen, für andere Personen und Situationen zu ziehen.
Ort: Region Davos, Piz Ducan (3063m), 50 Meter unterhalb des Gipfels, im Abstieg
Skitour: Sertig Dörfli, Ducantal, Couloir, Pic Ducan auf SAC Skiroute Route 373a.
Am Vortrag überstiegen wir das Leidbachhorn von Glaris kommend und nach Sertig abfahrend. Somit kannten wir die lokalen Verhältnisse
Wetter: Föhn Lage in der ganzen Schweiz, in der Region Davos sind Touren noch möglich. Wind ca. 40km/h, Wolken ab ca. 3300m. Aussichten Beruhigung der Föhnlage und eher besser Wetter
Anwesende: Christian Pittrof, Philipp Schlatter und ein zwei Tourengeher die kurz hinter uns folgten
Verlauf
Beim Abstieg vom Gipfel gegen Mittag (ungefähr um 12 Uhr, nach 4 Stunden und 10 Minuten) bin ich im Schnee ausgerutscht. Es war ein kleiner Ausrutscher, der gelegentlich passiert. Vielleicht haben die Stollen für eine Unsicherheit gesorgt, ich bin mir nicht sicher. Zu diesem Zeitpunkt war ich konzentriert und hielt den Pickel auf der Bergseite und den Skistock auf der Talseite in den Händen. Ich trug Steigeisen und einen Helm. Als ich mich auf den Pickel stützen wollte, bemerkte ich, dass ich keinen Druck aufbauen konnte und meine linke Schulter kraftlos war. Ich drehte mich auf den Bauch und konnte den Ausrutscher abfangen, als plötzlich starke Schmerzen auftraten. Reflexartig kniete ich mich mit dem Gesicht zum Hang und blieb in dieser Position, bis Christian und die zwei Tourengänger – ich nenne sie D. und N. – bei mir waren.
Die Alarmierung der Rega erfolgte über ein Handy. Wenn wir ohne Netzabdeckung gewesen wären, hätten wir auch ein Satelliten Notsender (Garmin INREACH 2) dabeigehabt. Christian stabilisierte meinen Arm mit seiner SAM-Splint. Zudem wurden ich in zwei Rettungsdecken gepackt, um meine Körperwärme zu erhalten. In dieser Phase war es mir unmöglich, unter der Hardshell-Jacke eine Isolationsschicht anzuziehen. Daher trug ich die Daunenjacke halbseitig aussen.
Jede Bewegung erforderte eine enorme Überwindung und wurde von Übelkeit und starken, mir unbekannten Schmerzen begleitet. Wenn ich hier von einer Bewegung spreche, meine ich etwas unter mein Gesäss schieben und nicht das Verschieben um einen Meter. Der Bewegungsspielraum, von dem ich hier spreche, war auf Dezimeter beschränkt. Ein weiterer Abstieg war unmöglich.
Selbst die direkt unter mir geschaffene Plattform war unerreichbar, trotz der starken Schmerzmittel, die Christian dabei hatte. Drei Palladon 40mg nahm ich zu mir, zeigten kaum Wirkung, oder ich weiss nicht, wie es ohne diese gewesen wäre.
Nach einer mir unbekannten Zeit kam die REGA von Untervaz mit einer Agusta. Nach Inspektion flog sie, wegen, der Wind war zu stark und das Gelände zu steil. Sie kündigte eine Alternative in 15 Min an. Bewusst blendete ich den Faktor Zeit aus, denn ich fragte mich, was passieren würde, wenn Fliegen nicht möglich wäre? Meine Situation hätte sich dramatisch verschlechtern können. Wissend, dass ich keine rationalen Entscheidungen mehr treffen konnte, verließ ich mich auf die drei Helfer.
Dabei war es für mich entscheidend und sehr wohltuend, dass alle drei ruhig blieben. Nebenbei bemerkt, meine Lage war so schmerzhaft, dass ich sie bitten musste, nicht zu reden. Sie akzeptierten dies, obwohl sie sicher das Bedürfnis hatten, sich auszutauschen, das Warten zu verreden, sich kennen zu lernen und dies eigentlich auch sollten.
Vom Ausrutscher bis zur Rettung vergingen 2 Stunden, in denen ich hauptsächlich stöhnte und kaum verständlich sprechen konnte. Ich hatte auch immer wieder unkontrollierte Atmung und war entweder knapp vor dem Erbrechen oder dem Hyperventilieren. Meine Freunde mussten meinem Tun tatenlos zusehen, was auch für sie keine einfache und belastend Situation war.
Irgendwann verspürte ich das Bedürfnis, auf die Plattform zu rutschen, wissend, dass ich dort für den Retter sein musste. Mit Stützen, Schieben, Halten gelang es mir kniend, dort anzukommen. Der Flugretter zog mir ein Gestell an und entfernte die Steigeisen. Ich wusste, dass der Retter keine Notversorgung leisten würde, aber innerlich plagte mich die große Angst, dass die Schmerzen während des Fluges noch schlimmer werden könnten. Glücklicherweise war dies nicht der Fall.
Die Heli Bernina flog mich mit dem Airbus Helicopters H125 an der Longline nach Sertig Dörfli. Dort wurde ich von der Rega notversorgt und wechselte den Heli. Die 30 Meter zwischen der Landung und dem Rega Heli schaffte ich dank zwei Ruhepausen. Die Schmerzmittel halfen mir kaum, und irgendwann sass ich in der Rega. Die Landung im Spital Davos erlebte ich nur teilweise, bevor ich in die Notaufnahme gebracht wurde. Das Röntgen fand irgendwie statt. Die Erschöpfung und Unterkühlung brachten mich zum Schlottern.
Nach mehreren Schmerzmitteln Verabreichungen «Wo tun sie das auch nur hin?» kam es zum Einrenkversuch. Zwei Methoden waren erfolglos, da meine Muskelspannung zu hoch blieb. In der Folge wurde ich narkotisiert und erwachte irgendwann im warmen Bett. Beim Erwachen musste ich mich erstmal sammeln und alles einordnen, indem ich die Ereignisse chronologisch sortieren.
Die Rettung selbst dauerte 30 Minuten, das Einrenken weitere 30 Minuten. So war die Schulter vom Misstritt bis zur Einrenkung 3 Stunden ausgekugelt.
Kurz nach dem Erwachen war Christian bei mir und brachte alle Utensilien. So war ich definitiv wieder in der Realität angekommen. Ich war beruhigt, als ich erfuhr, dass alle drei gesund zurück waren. Meine Schwester machte sich auf den Weg von Vnà und fuhr mich nach Wädenswil, sodass Christian endlich seinen Heimweg antreten konnte. Kurz nach dem Erwachen entliess mich das Spital in die Cafeteria, wo ich alleine wartete. Ich schätzte diese Momente des Alleinseins, vielleicht als erste persönliche Form der Verarbeitung. Das ist sehr individuell und jeder Betroffene bedarf seiner eigenen Form. Ich wünsche allen, dass sie ihre Bedürfnisse kennen und dabei unterstützt werden. Was einem gut tut muss jeder selbst erfahren, einfordern oder organisieren. Das Spital ist für die medizinische Versorgung zuständig.
Nebst der Versorgung, gilt es auch während und nach der Rettung einige organisatorische Punkte zu berücksichtigen; wer informiert wen, welche Worten wählt man, wann ist der richtige Zeitpunkt, sofort oder erst wenn man etwas mehr weiss? Das alles konnten wir am Unfallort klären. Dabei war es sehr wichtig, dass wir die Kontaktdaten der Anwesenden und ihren Angehörigen hatten. Wenn die Rettung beginnt, geht alles ganz schnell. Es wird nur noch gehandelt. Der aufgeräumte Unfallort ist dabei sehr wichtig; gepackte Rücksäcke, keine losen Gegenstände (z.B. Rettungsdecke) alles einfache Sachen, aber die Drei taten es.
Nach meiner Rettung stiegen Christian mit D. und N. erneut zum Gipfel auf und fuhren entlang des Aufstieges ab. Christian schulterte meine Ski ins Tal. Aufgrund der langen Pause passte der Zeitplan für die Tour nicht mehr, und die Nassschnee-Lawinengefahr stieg wegen den Tagesgang an. Immer wieder lagen Feuchtschnee-Rutsche über der Aufstiegsspur. Ein wichtiger Punkt ist, dass man plötzlich drei Stunden später unterwegs ist, was nicht dem ursprünglichen Plan entspricht. Das ist besonders wichtig für einen sicheren Abstieg oder Rückzug.
Danach
Am Montag fühlte ich mich wegen der vielen Schmerzmittel ziemlich verkatert und von der Anstrengung erschöpft. Es galt nun Arzttermine, MRI Untersuchung, Therapie zu organisieren. Hier ist ein Hausarzt sehr wichtig, denn Termine fallen nicht einfach vom Himmel. Eine weitere Herausforderung ist der Informationsfluss im Gesundheitswesen. Röntgenbilder werden nicht automatisch zwischen dem Krankenhaus und dem Hausarzt ausgetauscht, sondern der Patient muss diese Informationen selbst zusammenstellen und weitergeben. Das ist kein Problem, wenn man sich dessen bewusst ist und entsprechend handeln kann. Ansonsten können auch die Angehörigen unterstützen, sofern sie dazu befugt sind. Heute geht der Datenschutz der Effizienz vor.
Meine Ausnahmesituation war begleitet von Menschen, die ihre Hilfe selbstlos und selbstverständlich anboten, ich bin allen dafür unendlich dankbar.
Als Zeichen des Dankes organisierte ich für alle eine kleine Anerkennung, sei es Nussgipfel für die Heli-Basen, Kinogutscheine oder Ersatzmaterial. Das sind alles Kleinigkeiten für das was sie mir Gutes getan haben.

BerichterstatterIn
Philipp Schlatter