Lappland/Sweden 2104 TW (S/B/ZS) Willi Streuli

Tourengruppe/-TypSektion, Skitour
Startdatum10.4.11
Enddatum19.4.11
Anmeldeschluss10.1.11
Anmeldenhttps://touren.sac-hoherrohn.ch/tours/view/5c93df38-3774-41d4-ad67-0006ac120019
Beschreibung

10.4.2011-19.4.2011 [So-Di] 7! Tourentage in einmaliger Umgebung. Dazu 2.5 Reisetage Flug, Bus, Schneescooter. 1340 Höhenmeter sind es zum Kebnekaise-Gipfel. Ursprünglich nur als Privattour gedacht, habe ich diesen Leckerbissen doch ins SAC-Programm aufgenommen. Die Nachfrage ist schon gross, also schnell melden beim TL. Reihenfolge der Anmeldungen, nicht die Sektionszugehörigkeit gilt! Gerne gebe ich weitere Infos auf Anfrage. Tel: 079/388 27 57 oder mail an: ws9050@gmail.com

Die obigen Angaben stammen aus unserem Tourenreservationssystem (climbIT).

Tourenbericht

TeilnehmerInnen
Lilo Bigler, Christine Wyssling, Peter Hausmann, Fred Gmünder (Gast), René Kuch
Verhältnisse
Am Mittwoch, 13. April schön, sonst unterschiedlich bewölkt, zeitweise windig / von Samstag bis Montag stürmisch und zeitweise Schneefall / teilweise wenig Schnee, meist vom Winde verweht / mässig kalt

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Gipfelziele:
Dienstag 12.4.: Lilla Top 1’520m / 930 m Aufstieg
Mittwoch 13.4.: Kebnekaise Südtoppen 2’117 m / 1620 m Aufstieg
Donnerstag 14.4.: Skiweitwandern / 4h 40′ / 470 m Aufstieg
Freitag 15.4.: Tuolpagorni 1’662 m / 1’280 m Aufstieg
Samstag 16.4.: Aufstieg Richtung Lilla Top
Sonntag 17.4.: Skiweitwandern
Montag 18.4.: Kebnekaise Fjällstation – Nikkaluokta, 19 km / „Flachetappe“ = Rückmarsch

Skitouren im hohen Norden – Mal etwas anderes
Unberührte Natur, absolute Einsamkeit, keine Siedlungen, unendliche Weite und dazu ungewollt ein veritabler Schneesturm. Wer dies auf Skitouren sucht oder sich davor nicht scheut, fährt nicht ins Engadin oder ins Wallis. Wo man diese Szenerien erleben kann? Im hohen Norden, genauer gesagt in Schwedisch Lappland.
Doch schön der Reihe nach. Willi Streuli – langjähriger Schwedenkenner – hat uns im vergangenen November mit seinen Schilderungen „gluschtig“ gemacht, einmal nördlich des Polarkreises an Skitouren teilzunehmen.

Die Reise – vom Frühling in den Winter
Die Reise in unser Basislager ist in einem Tag möglich, aber nur wenn man das Gepäck am Vorabend in Kloten aufgibt und am anderen Tag um 6 Uhr 50 abfliegt. Wir entscheiden uns für die stressfreie Variante und benützen für die zwei Etappen Zürich- Stockholm und Stockholm-Kiruna drei! Flugzeuge. Wie das geht? Wir fliegen am Sonntagabend nach Stockholm, übernachten nicht in irgendeiner Unterkunft, sondern in einem zum Hotel umfunktionierten Jumbo-Jet. In Stockholm stellen wir fest, dass der Sack mit den Skiausrüstungen von Willi und Fred in Zürich hängen geblieben ist. Ärgerlich! Doch das Malheur wird von den Verursachern schnell behoben. Bereits am Dienstagmorgen treffen die Skisachen mit dem Schneescooter in Kebnekaise Fjällstation ein.
Am Montag jetten wir ausgeschlafen weiter nach Kiruna, der nördlichsten Stadt Schwedens. Dort ist einkaufen angesagt. Um selber kochen zu können, brauchen wir Lebensmittel. Dazu kommen einige Sixpacks schwedischen Biers für „nach der Tour“. Das Normalbier mit ca. 5% Alkoholgehalt ist teuer. Von Kiruna bis zur Fjällstation sind es rund 90 km. 70 Km davon können wir mit einem öffentlichen Bus zurücklegen, der 3x pro Tag fährt. In der Nachmittagssonne glänzen die Schneehänge der immer näher kommenden Berge sowie der zugefrorene Paittasjärvi (See). Unsere Vorfreude auf die kommenden Tage steigt beträchtlich. In Nikkaluokta heisst es umsteigen auf den Schneescooter mit angehängtem Schlitten. Von hier aus nach Westen gibt es keine Strassen mehr. Gut eingepackt geht es zum Teil sehr holperig durch lichte Wälder, über gefrorene Seen und einige fast knietiefe Pfützen bei Flussüberquerungen zu unserem Basislager.

Das Basislager
Unser „Basislager“ – die Kebnekaise Fjällstation = „Bergstation“ (670 m) – kann man als Hotel mit umliegenden Gebäuden aus Holz, vergleichbar mit SAC-Hütten umschreiben. Zur Fjällstation gehören auch ein Kleider- und Lebensmittelladen und eine Bibliothek. Auch Skis usw. können gemietet oder ein Bergführer engagiert werden. Eines der separaten Gebäude ist das Service-Center mit Küche, Essraum, Sauna, Duschen und Toiletten. Im Hotel kann man gepflegt essen und eine gute Flasche Wein geniessen. Doch Alkohol ist in Skandinavien nicht ganz billig. Willi hat vorgesorgt und einen 5 Liter Karton Wein aus der Schweiz mitgenommen. An den meisten Tagen kochen wir selber. Einige Male geniessen wir die erstaunlich hoch stehende Hotelküche. Highlight ist nach meiner Meinung das Elch-Filet. Bevölkert wird die Bergstation mehrheitlich von schwedischen Langläufern, die auf Tagesetappen von ca. 25 km vornehmlich auf dem Kungsleden (Königsweg) von Bergstation zu Bergstation ziehen. Sie verfügen über breite Langlaufskis mit Fellen oder Schuppen, tragen grosse Rücksäcke oder ziehen einen Schlitten hinter sich her. Einige führen Hunde mit. Skitourengänger wie wir sind in der Minderzahl.

Touren
Die Tourenziele tragen fremd klingende Namen: Kebnekaise, Tuolpagorni, Lilla Top, Knebejakkta, Vieranvarri usw. Einige Gipfel sind namenlos. Verschiedene Aufstiegsrouten sind vergletschert. Die Gletscherzungen reichen auf 1500 bis 1300 Meter hinunter. 6 Tage stehen uns für Gipfeltouren zur Verfügung.

Willi’s von Swissport erst am Montag nach Schweden spedierter Skisack kommt früher als erwartet. Wir können so am Dienstag bereits gegen Mittag zu einer Einlauftour starten. Hier in Nordschweden spielt es kaum eine Rolle, ob man am frühen Morgen oder am Mittag eine Tour beginnt. Die Tage sind bereits Mitte April wesentlich länger als bei uns. Der permanente und zeitweise starke Wind hat den Schnee fest gepresst. An den meisten Orten liegt wenig Schnee. Insgesamt ist die Lawinensituation ganztags gleich und als gering bis mässig einzustufen.

Unsere Einlauftour führt uns auf den Lilla Top 1520 m / 930 Hm. Kurz nach dem Start fliehen einige Schneehühner mit lautem Geschnatter vor uns. Auf dem Hochplateau von Kebnetjakka auf rund 1400 m begegnen wir erstmals einer Rentierherde. Zuerst zählen wir 20 Tiere, später sind es rund 50. Wir geniessen die Abfahrt auf teils hartem, teils sulzigem Schnee.

Der Wetterbericht sagt für den Mittwoch gute Verhältnisse voraus. Klar, wir müssen die Chance packen und den Kebnekaise 2117 m bereits am zweiten Tag in Angriff nehmen. Nach einer frühen Tagwache starten wir unsere Königstour um 7 Uhr bei schönem Wetter. Zwei Wege führen auf den Gipfel. Wir wählen den kürzeren, technisch aber bedeutend schwierigeren „Östra Leden“. Dieser führt über einen Gletscher und eine längere, verfirnte Kletterstelle im 2. Grad. Vorher deponieren wir unsere Ski’s. Ein Fixseil erleichtert den mit Klettergurt, Pickel und Steigeisen zu bewältigenden Aufstieg. Nach dieser Passage im griffigen Firn steht uns noch ein Fussmarsch von knapp einer Stunde auf den vergletscherten Südgipfel bevor. Nach über 6 Stunden seit dem Start stehen wir bei schönstem Wetter auf dem höchsten Berg Schwedens. Mehr als 1’600 Höhenmeter liegen hinter uns. Die Aussicht ist fantastisch. Laut Wikipedia kann bei klarem Wetter vom Gipfel ca. 10% des gesamten schwedischen Staatsgebietes überblickt werden, was mehr als die gesamte Landesfläche der Schweiz ausmacht.
Der Weg zurück bis zum Skidepot dauert rund 1.5 Stunden. Heute sind wir nicht ganz allein. Wir begegnen einer Dreier-Skitourengruppe und einigen Langläufern mit Fellen, die den Gipfel auf dem viel längeren Weg über den Vieranvarri erreichen. Kurz vor 16 Uhr starten wir zur wohlverdienten Abfahrt über den Björlings-Gletscher und ein lang gezogenes Tal und sind um 17 Uhr 30 zurück in unserer Bergstation.

Am Donnerstag ist eine Erholungstour angesagt. Doch das Wetter lässt nicht viel zu. Es liegt etwas Neuschnee. Wir entschliessen uns – gleich wie die Schweden – eine „Weitwanderungstour“ zu unternehmen. Starker Wind ist unser ständiger Begleiter. Wir treffen wiederum auf verschiedene Rentierherden. Wenn sie nicht überrascht werden, wahren die Tiere immer einen Sicherheitsabstand von mindestens 100 Metern.

Obwohl sich die Sonne abgemeldet und der Wind aufgefrischt hat, wollen wir heute den Tuolpagorni angehen. Der Tuolpagorni – 1’662 m / 1’200 Hm – weist der Kebnekaise-Fjällstation eine schroffe Felswand zu. Von Norden ist er dagegen relativ einfach erreichbar. Aufgrund seines markanten Aussehens gehört er zu Schwedens am meisten fotografierten Naturobjekten. Er besitzt einen eigentümlichen, pfannenförmigen Gipfelbereich, der an einen erloschenen Vulkan erinnert. Christine ist stark erkältet und bleibt heute „zu Hause“. Der Aufstieg erfolgt im Nebel und bei starkem Wind. Auf den letzten 250 Höhenmetern müssen wir eine Spur durch Fels und Geröll suchen. Eine Abfahrt ist hier kaum möglich. Willi kennt jedoch im Gipfelbereich eine Abseilstelle. Durch ein schmales Couloir kann man so in die „Gipfelpfanne“ gelangen und danach ohne störendes Geröll ins Tal hinunter fahren. Bei heftigem Schneegestöber wird deshalb abgeseilt. Ich bin vor Willi der Letzte, der am Seil mit aufgeschnallten Skis hinuntersteigt. Auch nach der Abseilstelle ist das Gelände sehr steil und läuft dann gegen den unteren „Pfannenrand“ sanft aus. Peter und Fred haben als erste mit der Schaufel „Bödelis“ ausgehoben, damit alle nach dem Abklettern ihre Skis wieder anziehen können. Ich löse mich vom Seil, stecke die Skis in den Schnee und ziehe gerade den Rucksack an. Achtung! tönt es von links und von rechts. Ehe ich realisiere was los ist, trifft mich von der Gipfelkante hinab fallender Schnee. Da ich kaum richtigen Stand habe, verliere ich schnell das Gleichgewicht, erlebe eine unschöne „Talfahrt“ und mache dabei einige unfreiwillige Überschläge. Nach mir unendlich lang vorkommenden rund 250 Metern ist der Sturz etwa in der Mitte der sanft auslaufenden „Gipfelpfanne“ zu Ende. Als ich mich anschicke, die mit Schnee gefüllte Sturmbrille zu reinigen, spüre ich einen stechenden Schmerz in der rechten Schulter. Nur mit grösster Mühe bringe ich den Rucksack vom Körper. Ich realisiere schnell – das Schultergelenk muss ausgerenkt sein – der rechte Oberarm lässt sich praktisch nicht mehr bewegen.
Dank einer schnell geschluckten Schmerztablette wird die Situation erträglicher. Kaum bin ich wieder auf den Beinen, schiesst es mir durch Kopf. Hat sich der Berg an mir gerächt? Ich habe ihn wegen seiner Gipfelpfanne verächtlich Pfannenstöckli genannt. Weiter oben hat Willi grosse Mühe, das vereiste Seil abzuziehen. Mit letztem Einsatz schafft er es. Als sehr nützlich erweist sich für mich die mitgeführte Bandschlinge. Damit kann ich den rechten Arm ziemlich gut stabilisieren. Sinnigerweise finde ich nur noch einen Skistock. Macht nichts. Ich kann ja den rechten Arm zurzeit nicht mehr gebrauchen. Willi hat sofort den Rettungsdienst aufgeboten. Sie holen mich mit dem Schneetöff am Fuss des Tuolpagorni. Doch zuerst muss die „Abfahrt“ bewältigt werden. Ich rutsche seitlich ab und gehe den letzten Teil zu Fuss. Dies gelingt nur dank der Hilfe meiner Kameraden.
Der Rest ist schnell erzählt: Fahrt mit Schneetöff und Taxi nach Kiruna in die Klinik / einrenken der Schulter / gute Betreuung durch Arzt und Assistentinnen / Fixation des Arms mit Spezialverband / dank Morphin schlafe ich danach sehr gut / Rückkehr am nächsten Morgen bei schönem Wetter zur Fjällstation mit Bus und Schneetöff / dort herrscht Sturm.

Ein veritabler Schneesturm
An den verbleibenden Tagen in der Bergstation – Samstag und Sonntag – herrscht mit Unterbrüchen ein veritabler Schneesturm. Die Kälte hält sich in Grenzen. Ein grösserer Gipfel lässt sich so nicht mehr besteigen. Doch meine Kameradinnen und Kameraden lassen sich nicht verdriessen und „rücken“ jeden Tag mit Skis und Fellen aus. Am Sonntag steigen sie noch einmal Richtung Lilla Top auf. Da ich nicht mehr tourentauglich bin, kämpfe ich nur dann gegen den Sturm, wenn ich von einer Hütte in die andere wechseln muss. Grösser ist hingegen mein Kampf gegen die „Einarmigkeit“. Dank der grossen Mithilfe Aller – herzlichen Dank auch an dieser Stelle – komme ich recht gut über die Runden.

Vom Winter in den Sommer
Am Montag, 18. April, geht es wiederum in zwei Etappen Richtung Schweiz. Unsere Gruppe legt den 19 km langen Weg von unserer Basisstation nach Nikkaluokta mit den Ski’s auf der Langlaufspur und ohne Felle zurück. Der Wind bläst heute bei Sonnenschein weiterhin stark, doch er kommt aus der richtigen Richtung. Mit Rückenwind geht’s entschieden leichter. Ich muss zusammen mit unserem Gepäck den Schneetöff mit Anhänger besteigen. Die junge Samin am Steuer kennt meine Verletzung und fährt so sanft wie es eben geht über das holprige Gelände. Je weiter wir Kebnekaise Fjällstation hinter uns lassen, umso schöner wird das Wetter! In Kiruna ist es beinahe windstill und wolkenlos. Wir verbringen die letzte Nacht in dieser durch die Eisenerzgruben bekannt gewordenen Stadt. Die Restaurants schliessen bereits um 21 Uhr. Ein Nachtleben scheint es hier nicht zu geben. Am andern Morgen verbleibt uns bei wiederum schönem Wetter Zeit für einen Stadtbummel und fürs Lädele. Am gleichen Abend steigen wir in Zürich bei sommerlichen Temperaturen aus dem Flugzeug.

Last but not least sei Willi ein Kränzlein gewunden. Er hat diese Tourenwoche mit grossem Engagement und Herzblut organisiert und uns so ermöglicht, eine uns unbekannte nordische Landschaft auf Skiern zu erleben. Dafür nochmals herzlichen Dank.

BerichterstatterIn
René Kuch / Fotos: Willi Streuli, Peter Hausmann