Dolomiten TW (K/B/5a) Andreas Walder

Tourengruppe/-TypKlettertour, Sektion
Startdatum18.7.10
Enddatum25.7.10
Anmeldeschluss28.2.09
Anmeldenhttps://touren.sac-hoherrohn.ch/tours/view/5c93df3a-43a8-4b24-ad15-0006ac120019
Beschreibung

18.7.2010-25.7.2010 [So-So]

Die obigen Angaben stammen aus unserem Tourenreservationssystem (climbIT).

Tourenbericht

TeilnehmerInnen
siehe Bericht
Verhältnisse
Super

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Kletter-Tourenwoche Dolomiten 2010
Wo sind die Bohrhaken hingekommen?

Hauptkommissar Andreas (Mini) Walder ermittelt.
Seine Ermittlungstruppe:
Professor Bruno Müller für die ganz schweren Fälle
Erich Wieser Abteilung Finanzdelikte
Franz Lischer Technik / Spurensicherung
Maya Albrecht Logistik
Frau Dr. Andrea Martin Gerichtsmedizin
Erika Frick Infrastruktur / Einkauf
Michi Kirsch Berichterstattung

Gerüchten zufolge sind sämtliche Bohrhaken in den Dolomiten verschwunden! Die erfahrene Ermittlungstruppe um Hauptkommissar Andreas (Mini) Walder fährt deshalb am Sonntag, 18.07.10 früh am Morgen auf den Valparola-Pass zwischen Alta Badia und Cortina d’Ampezzo ins gleichnamige Hotel und nimmt umgehend die Ermittlungen auf. Noch am Nachmittag ersteigt er selbst mit seinem Finanzspezialisten Erich den Hexenstein, jedoch erfolglos, es sind tatsächlich auf 6 Seillängen im 3. und 4. Grad keinerlei Spuren von Bohrhaken zu finden! Prof. Müller ist noch anderweitig beschäftigt und stösst erst am Abend zur Truppe. Die Logistikabteilung muss sich am Nachmittag erst von den Strapazen vergangener Tage erholen, während der Rest der Truppe im Klettergarten am Valparola-Pass erstmals erfolgreich Spuren von Bohrhaken im Bereich 5b findet. Diese sollen jedoch für längere Zeit die letzten bleiben!
Pünktlich (und vor allem spätestens) um 19.00 Uhr findet die erste Besprechung beim 4-Gänge-Nachtessen im Hotel statt. Der Salat steht schon seit ca. 17.00 Uhr bereit, doch das findet die Truppe erst im Verlauf der Woche heraus. Das primo piatto ist sehr Magen füllend und nach dem Secondo strecken Gerichtsmedizin und Infrastruktur bereits die Waffen und überlassen ihr Dolce den übrigen Ermittlern. Pünktlich um 20.30 Uhr muss der Speisesaal unter Androhung von Gewalt durch die ‚Cerva di Piazza’ (frei nach Michi: Platz-Hirsch(-kuh)) verlassen werden und im Tages-Aufenthaltsraum bei Kaffee und Grappa werden die schweren Entscheidungen für den Montags-Einsatz gefällt.

Am Montag, 19.07.10 fährt die Truppe über den Valparola-Pass und den Falzàrego-Pass zum Strobel (Restaurant) um die Spuren am grossen Falzàrego-Turm in der Dibona-Führe weiter zu verfolgen. Doch zuerst muss das sprachliche Problem um den Falzàrego geklärt werden. Erich vertritt vehement die Meinung die Aussprache lautet [faldzaarego] anstelle der für die italienische Sprache üblichen Betonung der vorletzten Silbe [faldzareego]. Ohne Klärung dieses Problems konnten keine weiteren Spuren verfolgt werden. Ein zufällig anwesender Italiener unterstütze dabei unwissentlich die Vertreter der üblichen italienischen Intonation, doch der Wirt des Strobel berichtigte sofort und des Rätsels Lösung war das Auffinden des kleine Akzent auf dem zweiten a, welches auf der Landkarte auch als Stein hätte interpretiert werden können. Da nun feststand, dass Erich richtig lag, konnte die Suche nach Bohrhaken wieder aufgenommen werden.
Nach einem kurzen, schweisstreibenden Zustieg konnte die Route knapp vor Einheimischen besetzt (man erahne den Vergleich mit 1914 – 18) und unter 4-Seilschaften-Beschlag genommen werden. Hauptkommissar Walder stürzte sich schon in der ersten Seillänge an diversem altem Schrott vorbei, wagemutig in die fast senkrecht vor uns aufgetürmte Wand. Schon in der 2. SL tauchen erste Bohrhaken vereinzelt zwischen den alten geschlagenen Haken auf und liessen die Ermittler erstaunen, sollten doch laut Topo keine modernen Sicherungselemente vorhanden sein. In der vierten Seillänge ist sich Hauptkommissar Walder nicht sicher und nach einem 20-Meter-Rückzug wird er vom Berichterstatter in eine mit Bohrhaken förmlich übernagelte Seillänge geschickt. Schon bald ist klar, dass dies nicht die gesuchte Route ist und während der Berichterstatter nun selbst wagemutig und wie erwartet ohne Haken die Originalroute aufsucht, queren die übrigen Seilschaften an einzelnen mobilen Sicherungsgeräten wieder in die Route. Nun stimmen Erwartungen und Angetroffenes wieder überein und nach etwas über 5 Stunden steht die ganze Ermittlungstruppe ohne weiteres Auffinden von Bohrhaken auf dem Gipfel des Turms. Der Abstieg ist nicht ganz ungefährlich, wird aber vom Hauptkommissar souverän bewältigt. Zurück beim Strobel wurde mit ein oder zwei Bier der Teilerfolg im Ermittlungsresultat gefeiert!!
Die Wetterprognosen für die ganze Woche waren grundsätzlich gut, einzig das Gewitterrisiko war hoch und so wurde nach erneutem Hinauswurf nach dem 4-Gänger für die nächsten Ermittlungen eine eher kurze Route am Averau bestimmt.

Am Dienstag, 20.07.10 sass die Ermittlertruppe wiederum um 07.30 Uhr am Frühstückstisch und stärkte sich mit dem üblichen Weissbrot, etwas Käse und Schinken, sowie Konfi und Nutella für den bevorstehenden Tag. Wir fuhren erneut über beide Pässe zur Talstation der 5-Torri-Sesselbahn und um 09.00 Uhr mit den ersten Sesseln zur Bergstation hinauf. Von hier wanderten wir in einer ¾-Stunde zum Einstieg, welcher bereits mit einigen Kletterstellen erklommen werden musste. Die erste Seillänge ist komplett ohne Sicherungsmaterial, sofern man(n) sich nicht auf der Route befindet. Einzig Professor Müller fand einzelne Haken, wahrscheinlich stammen diese noch vom vorletzten Jahrhundert. In der zweiten Seillänge kletterte Hauptkommissar Walder erneut an Haken vorbei und setzt an deren Stelle eigene Hilfsmittel ein. Die folgenden 4 Seillängen, eine mit einem als heikel beschriebenen Quergang, sind nur mit einzelnen Sanduhrschlingen und zwei einzementierten Standhaken versehen. Im steilen und etwas brüchigen Gelände musste dies als Tiefpunkt der Ermittlungsarbeit bezeichnet werden. Den Abstieg vom Averau bildet ein Wanderweg, kurzzeitig mittels Klettersteig verschönert. Viele Klettersteig-Begeher verstopften die Schlüsselstelle und so beschlossen wir den unteren Teil durch Abseilen zu umgehen. Zurück in der Bergstation waren Kaffee, Bier und Kuchen angesagt. Auf dem Parkplatz bei der Talstation wurde mit den Kirschen von unserem Obstbauer in Wädenswil, resp. mit den Kirschsteinen ein Wettspucken veranstaltet und anschliessend beschlossen Gerichtsmedizin, Technik, Infrastruktur und Logistik im nahe gelegenen Cortina die Vorräte aufzufüllen. Sie schafften es nur unter aussergewöhnlichen Anstrengungen den 19.00 Uhr-Termin im Hotel einzuhalten!

Der Mittwoch, 21.07.10 stand wieder im Zeichen der Gewitter-Androhung und das Ziel hiess Westwand des kleinen Lagazuoi, M. Speziale-Führe. Auf dem Weg zum Einstieg schaltete der Berichterstatter sein Hirn ein und musste deshalb nochmals zum Auto zurück, um das vergessene Seil zu holen. Am Einstieg angelangt war Hauptkommissar Walder gerade damit beschäftigt, die ersten hakenlosen Meter zu bewältigen, als eine Ausbildungstruppe des italienischen Militärs die geschichtsträchtige Wand erreicht. Etwas gefrustet, weil zu spät, versuchten sie uns neben der Route zu überholen, was aber misslang und sie mussten sich hinter unseren 3 Seilschaften anstellen. Professor Müller hatte dieselbe Route bereits vor einem Jahr mit der Finanzspezialisten Wieser bestiegen und wollte deshalb eine andere Route rechts von uns besteigen. Diese war jedoch besetzt und nachdem der Vorsteiger über eine halbe Stunde benötigt, um einen Stand einzurichten, stiegen die beiden entnervt zum Auto ab um sich im Führerbuch neu zu orientieren. Kurze Zeit später waren sie wieder an der Wand und stiegen in eine andere Route links von uns ein. Hauptkommissar Walder kämpfte sich in der Zwischenzeit schon die 3. und schwierigste Seillänge (V+) ohne Bohrhaken, aber mit vielen Sanduhrschlingen empor. Resultat: „Das ist eine der schönsten Seillängen, welche ich je geklettert bin“. Wir anderen freuten uns schon. Kurz nach Mittag waren wir auf dem zweiten Schuttband und es hatte bedrohlich viele schwarze Wolken. Wir beschlossen die Tour abzubrechen (es fehlten noch 3 Seillängen) und auf dem Band abzusteigen. Noch bevor wir alle die einzige Abseilstelle hinter uns hatten, schlugen die ersten Hagelkörner ein und es begann ziemlich heftig zu regnen. Die ganze Wand und die Schuttbänder wurden im Nu lebendig, überall entstanden Wasserfälle. Trotzdem erreichten alle, auch Bruno und Erich, heil und total durchnässt das Auto. Für eine Nacht mussten wir die Unterkunft wechseln, da im Valparola nicht genügend Platz war. Der vorübergehende Stützpunkt, das Refugio Col Gallina, wurde zum Glückstreffer, denn wir konnten alle nassen Kleider zum waschen und trocknen abgeben und sogar die mit Wasser gefüllten Schuhe auf dem speziellen Schuhtrockner über Nacht trocknen lassen. Um 20.30 Uhr wechseln wir den Tisch für einmal nicht. Kulinarisch war das Col Gallina auf gleichem Niveau wie das Valparola. Betreffend Bohrhaken hatten wir schon den zweiten Tiefpunkt der Woche erreicht!!

Der Donnerstag, 22.07.10 wurde mit einem Geburtstagsfest für die Infrastrukturabteilung begonnen. Der Berichterstatter hatte anschliessend an das Frühstück das Vergnügen, mit dem Geburtstagskind (ich glaube sie ist 40 geworden?) eine weitere Route an der Westwand des kleinen Lagazuoi zu klettern. An zwei Ständen fanden sich tatsächlich je ein Bohrhaken, Baujahr vermutlich in den 60-er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Den Rest der Route bis hinauf aufs zweite Schuttband fehlten sowohl Standhaken als auch Zwischensicherungen, es hatte aber genügen freie Sanduhren und man musste sich sogar manchmal entscheiden, welche man benutzen wollte. Der Professor und die Finanzabteilung waren wieder in einer Parallelroute unterwegs und trafen auf dem zweiten Schuttband zum Hauptkommissar. Diesmal war das Wetter stabiler und wir kletterten alle vier Seilschaften die oberen drei Seillängen zum grossen Schuttband hinauf. Und da geschah es: Die mittlere Seillänge war mit Normalhaken übersäht! Vernagelt, sozusagen! Allerdings keine Bohrhaken! Der Abstieg über das obere Band erforderte volle Konzentration und ab und zu fragte man sich, weshalb man im Aufstieg durch die Wand angeseilt unterwegs war, wenn man dann anschliessend in Schwindel erregender Höhe unangeseilt (sichern unmöglich) durch die Wand spazierte! Der Weg führte zum Kaiserjäger-Weg und auf diesem über eine neu erstellte Brücke zurück zum Auto. Dank der intensiven Zusammenarbeit zwischen Logistik und Technik, konnte die Infrastruktur eine Flasche erstaunlich kühlen Champagner öffnen und wir konnten zum Geburtstag noch in der Kletterausrüstung anstossen. Anschliessend fuhren wir ins Tal Richtung Alta Badia und bekamen vom Geburtstagskind ein Glace spendiert, welches die Gerichtsmedizin aus unerklärlichen Gründen am Boden verteilte. Das Nachtessen war wieder in gewohnter Manier 4-gänig und dauerte exakt von 19.00 Uhr bis 20.30 Uhr.

Für den Freitag war der Wetterbericht etwas riskanter und wir beschlossen zu den 5 Torri hinauf zu fahren und dort eine kurze Route zu machen. Der Sessellift fuhr auch an diesem Tag fürs gemeine Publikum nicht vor 09.00 Uhr und als wir zu den Felstürmen kamen, waren die meisten Routen mit anderen Kletterern besetzt, welche von der anderen Seite her mit dem Auto bis fast zu den Felsen gefahren waren. So suchte Hauptkommissar Walder den Torre Lusy als Ziel aus und wir kletterten an einigen Normalhaken 6 kurze Seillängen hinauf. Einzelne Stände waren mit einzementierten Haken versehen, Bohrhaken haben wir keine gefunden! Sollte diese Woche zum totalen, ermittlungstechnischen Misserfolg verkommen?!? Auch die 30 Meter überhängende Abseilstelle musste an einzementierten Ringhaken absolviert werden. Die dunklen Wolken verhiessen nicht Gutes und so verschob sich die Ermittlungstruppe zum Klettergarten am grössten Turm. Und hier haben wir sie gefunden!!! Alle Routen sind mit Bohrhaken eingerichtet und zwar im Abstand von maximal 3 Metern! Allerdings schafften alle Seilschaften nur gerade eine Seillänge, bevor die ersten Tropfen die Erdoberfläche erreichten. Nach einem Kaffee mit Kuchen in der Talstation fuhr das Team nach Cortina um den Erfolg der Woche bei Glace und Einkaufsbummel zu feiern. Was genau falsch gelaufen ist, haben wir leider nicht herausgefunden, aber wir durften über eine Viertelstunde länger im Speisesaal sitzen bleiben und bekamen erst noch einen Schnaps von der Chefin des Hotels spendiert.

Nach dem Kaltfront-Durchgang in der Nacht auf den Samstag, 24.07.10 waren die Temperaturen am Morgen gerade noch knapp über dem Gefrierpunkt. Zudem hingen tiefe Wolken in den Bergen und es wehte ein eisiger Wind. Hauptkommissar Walder, seiner Hauptaufgabe nach dem Fund der Bohrhaken beraubt, beschloss, auf eine Wanderung um oder auf die Tofana de Rozes 3225 m zu starten. Um möglichst viele Möglichkeiten offen zu halten, wurde ein Auto auf dem Falzàrego bei der Lagazuoi-Talstation deponiert und mit dem Bus von Logistik und Technik zum Rif. Dibona gefahren. Bei leichtem Regen startete die Truppe Richtung Rif. Giussani, welche wir bei stürmischem Wind um die Mittagszeit erreichten. Nach einem einfachen Mahl teilte sich die Truppe und während Professor Müller mit Finanzberater Wieser um die Tofana (mit direktem Klettersteig-Absieg ohne Sicherungsmaterial!!) liefen, startete der Rest mit Hauptkommissar Walder Richtung Gipfel. Diesen erreichten alle nach gut 1.5 Stunden bei Sonnenschein, aber kaltem und böigem Wind. Nach den obligatorischen Gipfelfotos und einigen Leckereien ging es wieder hinunter zum Rif. Giussani und nach Kaffee und Kuchen zurück zum Bus. In der Zwischenzeit hatten Bruno und Erich das Auto auf dem Falzàrego erreicht und sind mit diesem zum Hotel zurückgefahren. Dort trafen auch die restlichen Teilnehmer rechtzeitig ein. Nach dem Nachtessen zwischen 19.00 und 20.30 Uhr konnte die Logistik von allen Fotografen die Speicherkarten um einige hundert Fotos erleichtern und wir konnten bei Grappa und Kaffe die Ermittlungsarbeit dieser Woche Revue passieren lassen.

Dem Hauptkommissar sei an dieser Stelle zum Ermittlungs-Erfolg gratuliert und für die angenehme und äusserst kompetente Führung gedankt.

BerichterstatterIn
Michael Kirsch