Tourenwoche Monte Rosa

Startdatum1.8.08
Enddatum7.8.08

Tourenbericht

TeilnehmerInnen
Bart Hendriks TL, Andreas Hensel TL, Willi Mende, Alex Biderbost
Verhältnisse
Fast immer tolles Wetter, sehr gute Verhältnisse auf Gletschern und an den Graten

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Freitag 1. August 2008

Bart und ich fahren gemütlich um 10.00 Uhr morgens in Wädenswil auf 400 Metern über Meer ab. Wir legen den obligatorischen Halt im Belvedere Furka ein – mein Freund Phillip ist aber nicht anwesend. Unterwegs telefonieren wir mit Andreas und Willi. Beide sind bereits in Zermatt eingetroffen. Willi war schon einige Tage am Akklimatisieren. Was er in Zermatt wohl sonst noch so…?
Es stellt sich heraus, dass Andreas leider sein Seil im Auto in Herbriggen vergessen hat. Willi kommt nach Täsch und gemeinsam fahren wir wieder zurück nach Herbriggen und holen das corpus delicti. In Täsch stellen wir das Auto in einer der diversen Privatgaragen, gegen einen Obolus von CHF 10.– sogar in die Tiefgarage, ab. Die Garage hat selbstverständlich auch gleich noch das Privattaxi nach Zermatt (ca. CHF 10.– pro Person) zur Hand. Die Mattini sind halt schon geschäftstüchtig!
Wir beziehen unsere Zimmer im Hotel Garni „Alpenstern“ bei Herrn Biner. Das Hotel ist nah am Bahnhof gelegen und ruhig. Etwas Investitionsbedarf besteht. Das z’Nacht nehmen wir dann im Restaurant „Chalet“ ein. Wir diskutieren viel über die kommenden Tage und unsere tollen Pläne, das Wetter und überhaupt.

Samstag, 2. August 2008

Das Wetter ist ganz gut. Ein Teil des Gepäcks lassen wir im Hotel Garni „Alpenstern“. Mit Sack und Pack laufen wir durch Zermatt. Ziel ist heute die Gandegghütte. Wir laufen durch die wildromantische Gornerschlucht und dann hinauf zur Zwischenstation Furi (1’867 Meter). Mit der Seilbahn fahren wir dann hinauf zur Station Schwarzsee (2’583 Meter). Von hier ab wollen wir aber nun wieder laufen. Zuerst geht es hinunter nach Furgg (2’432 Meter). Die Bahn Furgg ist im Sommer nicht in Betrieb. Den ganzen Tag begleiten uns die fantastischen Bilder der umliegenden 4’000er. Nicht nur das „Horu“ glänzt, nein, die ganze Palette der 4’000er strahlt um die Wette: das Breithorn, der Lyskamm, das ganze Monte Rosa-Massiv und auf der anderen Seite Obergabelhorn & Kompanie. Und talauswärts grüssen Nadelhorn, Lenzspitz und Konsorten.
Irgendwo im Aufstieg zur Gandegghütte üben wir dann trocken alles rund ums Anseilen, wer wo mit wem und warum etc. An der trostlosen Betonlandschaft des Trockenen Stegs laufen wir vorbei und dann treffen wir in der Gandegghütte (3’029 Meter) ein. Die Gandegghütte ist direkt unter dem Breithorn gelegen. Was für ein Anblick. Das ganze Ambiente in der Gandegghütte inklusive Zimmer ist klein, munzig, uralt und aus einer völlig anderen Zeit. In einem minimalen, knarrenden Holzzimmer lässt es sich aber durchaus sein. Und vor allem eins: Wir speisen ausgezeichnet. Die Gandegghütte ist keine SAC Hütte. Darum wird jeder Gang einzeln auf separatem Geschirr aufgetragen. Jeder Gang ist edel präsentiert. Wunderbar: So lassen wir uns Akklimatisation durchaus gefallen!

Sonntag, 3. August 2008

Morgens um 5 Uhr stehen wir auf. Nach einem feinen Frühstück laufen wir hinunter zur „Kleinen Matterhorn Bahn“ beim Trockenen Steg. Erstaunlicherweise ist die erste Bahn schon abgefahren, obwohl man uns gesagt hat, wir kämen so als Gäste der Gandegghütte auf die erste Bahn. Naja. Auf dem Kleinen Matterhorn auf 3’817 Metern erwartet uns ein grandioses Panaroma bei grandiosem Wetter. Anseilen! Die meisten Leute nehmen den Normalanstieg aufs Breithorn. So bequem sind wir aber nicht. Wir queren unter dem ganzen Breithorn durch und wollen es von hinten aufrollen. Ein eigener Gipfel ist der Roccia Nera (4’075 Meter). Irgendwann geht es unendlich steil hinauf. Und dann stehen wir auf dem Roccia Nera. Für Willi ist es der erste 4’000er. Gratulation! Und weiter geht es zum ersten Breithornzwilling (4’130 Meter). Wir überschreiten ihn und erleben dabei einige g’fürchige Tiefblicke und entsprechend müssen vorsichtige Manöver bewältigt werden. Es hat viel Schnee in den Gratpassagen drin.
Nach dem ersten Breithornzwilling sind wir ziemlich geschafft. Es ist unglaublich warm und der Schnee ist schon sehr weich. Eigentlich wollen wir noch den zweiten Breithornzwilling und den Rest des Breithorns überschreiten. Irgendwie scheint und das aber bei diesen Temperaturen nicht so gescheit zu sein. Wir beschliessen den Abstieg. Andreas verliert dann auch noch gleich einen Handschuh, den eine Spalte schluckt. Mühsam waten wir durch den kniehohen Schnee. Dieses Einsinken macht mürbe. Ziemlich tot kommen wir bei der Ayazhütte (3’394 Meter) an.
Wir geniessen das typisch italienische Nachtessen mit einem riesigen Teller Pasta als Primo und einem anständigen Secondo. Andreas und ich genehmigen uns noch ein Glas Wein dazu.

Montag, 4. August 2008

Früh stehen wir auf. Heute haben wir einiges vor. Wir laufen zum Fusse des Pollux. Und dann geht es die erste steile Firnflanke hinauf. Gespannt warten wir auf die Schlüsselstelle. Eine mit Ketten teilweise gesicherte Kletterei, an der es meist nicht ohne Warten und Fluchen abgeht. Ein paar Spanier wissen nicht mehr weiter und Bart überholt souverän. Wir meistern die Stelle im Eilzugtempo. Super! Oben angekommen ziehen wir wieder die Steigeisen an und dann geht es einen schmalen Firngrat hinauf auf den Pollux (4’092 Meter). Geschafft. Etwas weniger heiss, aber auch nicht ganz ohne, wird der Abstieg auf der anderen Seite. Im Zwillingsjoch (3’845 Meter) angekommen, machen wir vorerst einmal eine verdiente Pause. Und dann geht es gleich weiter steil hinauf auf den Castor. Wir gewöhnen uns langsam an das Gratwandern auf schmalen Firnpfaden. Bei tollem Wetter kommen wir auf dem Castor (4’338 Meter) an. Ein weiterer 4’000er ist geschafft. Aber der Gipfelgrat hat es in sich, denn er geht bei einer Überschreitung nochmals ein gewaltiges Stück weiter. Mentale Konzentration ist angesagt. Fotografieren ist nur noch beschränkt möglich. Heil kommen wir auf dem Felikjoch (4’066 Meter) an und besteigen „dann noch so nebenbei das Felikhorn“ (4’093 Meter). Der Abstieg zur Capanna Quintino Sella (3’585 Meter) ist dann an sich kein Problem mehr. Heute ist es auch nicht mehr ganz so warm und wir sinken auch nicht mehr dermassen extrem ein. Ein bisschen zwar immer noch.

Dienstag, 5. August 2008

Die Überschreitung des Lyskamm haben wir aus organisatorischen Gründen so oder so abschreiben müssen. Da in der Capanna Gnifetti kein Platz mehr zu haben war. Und dabei haben wir so lange darüber diskutiert, ob wir das nun wirklich wagen wollen oder nicht. Es war viel von „Menschenfressergrat“ und anderen Herausforderungen die Rede. Immerhin wollen wir den Lyskamm Westgipfel besteigen. Bei an sich tollem Wetter ziehen wir los. Wir sehen aber schon, dass von Norden her offenbar schlechtes Wetter die Südalpen mit Nebel bedrängt. Die Windfahnen versprechen zudem auch nichts Gutes. Und tatsächlich kommen wir knapp über 4’000 Meter in eine dichte Nebelfront. Auf dem Felikhorn angelangt wird zudem klar, dass ein sehr starker Nordwind bläst. Heute scheint irgendwie nicht Lyskamm-Wetter zu sein. Wir beschliessen, eine halbe Stunde in der Kälte auszuharren und dann einen Entscheid zu treffen. Mit Luftboxen und sonstigen Spielchen vertreiben wir uns die Zeit und die Kälte. Nach einer halben Stunde ist’s nicht besser. Wir beschliessen den Abstieg. Knapp unter 4’000 Metern scheint die Sonne und im Süden ist ein wunderschöner Tag. Auch das ist okay: So machen wir uns einen schönen Hüttentag. Wir vertreiben uns die Zeit mit guten Gesprächen, Kaffee und Kuchen und Kartenspiel.

Mittwoch, 6. August 2008

Heute wollen wir die 4’000er der Monte Rosa Gruppe abklappern und zur Capanna Regina Margherita hinüberwechseln. Im wunderschönen Morgenrot queren wir unter dem gesamten Lyskamm-Grat hindurch. Heute wäre ein perfekter Lyskamm-Tag: Schönes Wetter, gute Sicht und kein Wind. Wir überholen diverse Seilschaften. Bart will es heute wirklich wissen. Und dann geht es die steile Flanke hinauf zum Il Naso, der Eisnase des Lyskamm. Tritte und eine schön gemachte Spur sind heute nicht vorhanden. Die Verhältnisse sind zwar gut aber nicht ganz ohne. Bart schlägt ein forsches Tempo an und überholt gar einen mir bekannten Bergführer. Wir müssen uns konzentrieren. Und schnaufen tun wir wie die Nashörner. Nach rechts zweigt es auf einen Pass ab. Bart schlägt aber den Weg nach links ein. Und dann kommen wir wieder auf einen Menschenfresser ähnlichen Grat. Mentale Konzentration ist wiederum gefragt. Bart will es wissen: Er will auf den Gipfel des Il Naso. Und dann sind wir auf dem Gipfel des Il Naso. Ein paar Minuten später trifft der mir bekannte Bergführer mit seiner Gruppe ebenfalls ein. Unter uns sehen wir diverse Gruppen, die den Gipfel auslassen und etwas einfacher über den Naso-Pass ziehen. Auch der Il Naso ist ein 4’000er, nämlich 4’272 Meter hoch. Der Abstieg vom Il Naso gestaltet sich dann noch einmal relativ schwierig. Es ist eine sehr steile heikle, weil leicht blanke und mit einem Eisschrund versehene Passage zu überwinden. Wir schaffen es und unten machen wir etwas atemlos Pause.
Danach ist gemäss Bart 4’000er wandern angesagt. Naja, der Schnauf geht einem dann ja auch einmal aus. In gemütlichem Tempo nehmen wir das Balmenhorn (4’167 Meter). Dann geht’s weiter zum Schwarzhorn. Andreas und Willi beschliessen, es etwas gemütlicher zu nehmen und zwei Gipfel auszulassen. Bart und ich besteigen dann noch das Schwarzhorn (4’322 Meter). Danach geht es über die Ludwigshöhe (4’341 Meter) noch zur Parrotspitze. Diese wollen wir noch erleben. Die Parrotspitze ist eine eindrückliche ziemlich lang gezogene scharfe Firnkante. Für mich mental, weil hunderte von Metern lang, durchaus anspruchsvoll. Die Gratwanderung führt uns auf den Gipfel der Parrotspitze (4’432 Meter). Hier muss man sich schon anstrengen, um dann doch noch Fotos von einander zu machen. Nach der Überschreitung der Parrotspitze machen wir am Fusse eine ausgiebige Pause. Wow, sieht das haarsträubend aus, wenn Bergsteigergruppen die scharfe Kante der Parrotspitze überqueren. Und der Blick hinauf zur Signalkuppe, wo die Capanna Regina Margherita auf 4’554 Metern thront, ist auch nicht ohne. Mühsam und schweissig steigen wir dann unter gewaltigen Séracs hindurch hinauf zur Capanna Regina Margherita. Wir sehen schon: Das Wetter wird nicht mehr besser. Und kurz vor der Hütte werden wir in Nebel gehüllt und es fängt an zu ziehen. Glücklicherweise hat es eine Spur und wir nehmen die letzten paar Meter zur Capanna Regina Margherita ohne Sicht. Mann, ist das anstrengend. Wir schnaufen wie die Grossen. Im höchsten Hotel Europas angekommen, sind wir zuerst einmal völlig ausgepumpt. Das war ein Tag: Sechs 4’000er an einem Tag.
Willi und Andreas sind schon auf der Hütte. Ganz ohne Kopfweh geht es hier oben wohl nicht. Willi geht es beschränkt gut. Bart und Andreas kommen zurecht. Mir geht es eigentlich recht gut – bin ich froh, dass ich die Höhe offenbar relativ gut vertrage.
Sollen wir morgen noch die Dufourspitze anhängen? Wir erfahren, dass sich eine Kaltfront nähert und am Donnerstagnachmittag wohl für Gewitter sorgen wird und dann vermutlich noch den ganzen Freitag schlechtes Wetter sein wird.

Donnerstag, 7. August 2008

Wir haben beschlossen, die Dufourspitze auszulassen. Schade, aber sie läuft ja nicht weg. Beim nächsten Mal werden wir es dann tun. Die Zumsteinspitze (4’563 Meter) besteigen wir aber dann doch noch. Wir steigen auf der gleichen Seite ab. Und dann geht es den ganzen Grenzgletscher hinunter. Wow, ist das eindrücklich. Nun queren wir unter dem Lyskamm auf der anderen Seite durch. Der Grenzgletscher ist unglaublich lang, ziemlich zerklüftet und mächtig. Glücklicherweise hat es hier eine deutliche Spur. Aber diverse Passagen sind nicht ganz ohne. Das möchte ich bei Nebel nicht unbedingt erleben. Eigentlich wollten wir die Monte Rosa Hütte auslassen. Das kann man aber heute nicht mehr. Die Gletschererosion ist eindrücklich. Wir ziehen die Steigeisen aus und steigen über die Moränen zur Monte Rosa Hütte ab. Dort genehmigen wir uns ausgiebige Blicke auf die von uns in den letzten Tagen bestiegenen oder zumindest versuchten Berge. Ein Stück Kuchen verwöhnt den Gaumen. Der Abstieg wieder hinunter zum Gletscher ist dann noch einmal eine ziemliche Konzentrationsangelegenheit. Und der doppelte Gletscherübergang hinüber auf die Gornergratseite ist zwar mit Markierungen alle Hundert Meter angezeigt. Aber heute, bei dieser Gletschererosion ist dieser Weg auch nicht ganz ohne. Amerikanische Touristen in Turnschuhen und Shorts sind hier eigentlich Fehl am Platze. Immer wieder müssen wir Spalten überspringen. Und manchmal ist man versucht, die Steigeisen anzuziehen. Nein, bei Nebel möchte ich hier nicht unbedingt durch. Endlich haben wir die andere Seite erreicht, verlassen den Gletscher und können nach Rotenboden aufsteigen. Kaum wieder auf sicherem Boden nähert sich die Gewitterfront nun mit Riesenschritten. Zehn Minuten später heisst es Regenzeug anziehen. Nicht mehr ganz trocken aber heil kommen wir auf dem Rotenboden (2’815 Meter) an und erwischen gerade noch die Gornergratbahn hinunter nach Zermatt.
Und schon hat uns die zivilisierte Welt wieder. Stinkend und mit Bärten ausgerüstet, geniessen wir eine tolle Pizza am Bahnhof von Zermatt.
Das war eine extrem eindrückliche, supertolle Tourenwoche. Bei besten Verhältnissen und meist tollem Wetter haben wir zwölf 4’000er bestiegen! Danke Bart – eine reife Leistung!

BerichterstatterIn
Alexander Biderbost