Klettern in der Türkei

Startdatum22.4.07
Enddatum6.5.07

Tourenbericht

TeilnehmerInnen
Mini und Michi

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Auch dieses Jahr machen Mini und ich keine Ausnahme und hängen direkt an die Skitourenwoche um den Dent d’Herens zwei Kletterwochen im Süden an. Das erzeugt ganz schön Stress, am Samstag am späteren Nachmittag zu hause mit der Skitourenausrüstung ankommen und am Sonntag am frühen Nachmittag schon wieder mit dem Kletterpuff unterwegs zum Flughafen. Dazwischen umpacken und die dreckige Unterwäsche zu hause deponieren, in der Hoffnung, nach den zwei Wochen alles gewaschen und gebügelt wieder vor zu finden!!
Während mir in der Regel die Organisation der Bike-Ferien obliegt, ist Mini der Tätschmeister für die Kletterferien. Nach der Eingabe von „Klettern“ und „Türkei“ im Internet wird Mini schnell fündig und er reserviert sogleich Flüge nach Antalya und die Unterkunft im Josito-Klettercamp. Leider sind die Bungalows mit eigener Dusche/WC schon alle ausgebucht, aber wir können dafür einen 3-er-Bungalow ergattern, genügend Platz ist ja auch nicht schlecht. Die spärlichen Informationen stammen vom Internet und nur langsam erfahren wir von einzelnen Kollegen, dass es zwar schön aber auch sehr hart bewertet ist. Viele Fragen bleiben offen: Mit was für Geld bezahlt man da, nehmen sie Euros, können wir die Kreditkarte gebrauchen, kann man an Ruhetagen was unternehmen, isst man da den ganzen Tag Kebab, sprechen sie englisch, wie heiss ist es, hat es genügend (einfache!) Routen für zwei Wochen? Einen Kletterführer hat Mini organisiert und er beruhigt mich trotz Beteuerungen von Mini nicht, es hat seitenweise Gebiete drin, in welchen die leichteste Route mit 8+, französisch 7a angegeben sind, wo ich doch knapp 6a oder besten Falls 6b hoch komme!?! Ein Mietauto buchen wir nicht, man kann sich am Flughafen abholen lassen.
Ja, so stehen wir also nachts um 23 Uhr auf dem Flughafen von Antalya und die erste Überraschung ist, dass der Abholservice tatsächlich klappt. Nach etwas warten geht’s dann mit dem klapprigen Nissan-Bus von Helga durch das nächtliche Antalya (wahrscheinlich) Richtung Berge. Kurz vor 01.00 Uhr verlässt sie die befestigte Strasse und 5 Minuten später zündet sie mit den Scheinwerfern in die Wildnis. „Da hinten links seht ihr eine Holzhütte, dahinter ist eure Hütte, Nr. 5, aber angeschrieben ist sie sowieso nicht. Ihr habt ja wohl eine Stirnlampe, schlaft gut, ab 08.00 Uhr gibt’s Frühstück.“ Und weg ist sie. Tatsächlich finden wir hinter dem Busch eine Holzhütte mit 3 Betten und der Schlüssel steckt. Pünktlich um 8 Uhr stehen wir am Restaurant des Camps und es ist tatsächlich jemand da, der uns Frühstück macht. Überraschung Nr. 2: Orangensaft, Latte macchiato, Müesli mit frischen Früchten, Scrambled eggs, Brot mit Honig, Nutela und Konfitüre, alles was das Herz begehrt. Nach der Tourenwoche in Italien das reinste Frühstücks-Schlaraffenland! Das Restaurant ist tagsüber geschlossen, dafür bekommt man einen Lunchbag mit Riesensandwich, Apfel, Ei und Guetsli und zum Abendessen muss man reservieren, weil sie exakt für die Anzahl gemeldeter Personen kochen.
Das Klettern ist wie erwartet. Die Routen sind neu und steil und ca. 30 m lang, die Bewertung ist hart, die Absicherung mit wenigen Ausnahmen ausgezeichnet und der Fels meistens Messerscharf. Die Felswand mit den Routen ist knapp zwei Kilometer lang und es ist noch lange nicht alles erschlossen. Fast alle Gebiete sind an der Sonne, was nach 13.00 Uhr kaum mehr auszuhalten ist. Nur in den Höhlen kann man dann noch klettern, nur da sind die Routen noch steiler!
Nach drei bis vier Tagen mit 6 bis 8 Seillängen ist die Haut an den Fingerkuppen praktisch weg und wir legen Ruhetage ein. Ruhetag bedeutet natürlich nur Ruhe für die Finger und so schleppen wir uns zu Fuss auf den zweitnächsten Berg vom Camp aus. Der nächste Berg sieht zwar gut aus, ist aber nicht ganz einfach zu bezwingen. In der Wand (ca. 800 m hoch) dürfen keine Haken angebracht werden und die Kletterei ist etwa 7a! Zudem ist der Abstieg lang und wir haben ja schliesslich Ferien! Also der zweitnächste Berg. Zwei Stunden kämpfen wir mit der Wildnis bis ins nächste Dorf Geyikbairi, dann folgen wir den Strassen in die höher gelegenen Wälder. Eigentlich haben wir schon aufgegeben, als trotzdem noch so was wie ein Weg auftaucht und natürlich wird die Flamme sofort wieder entzündet. Den Wegspuren folgen arbeiten wir uns die steile Flanke hoch zu den Felsen. Eine Herde Wildschweine rast an uns vorbei. Jetzt ist auch klar was das für Wegspuren sind. Trotzdem erreichen wir den Gipfel des Berges und die Aussicht auf die Bucht von Antalya ist atemberaubend. Auf dem Abstieg finden wir dann doch noch einen richtigen Weg und die letzten Höhenmeter des Rückwegs können wir per Autostopp zurücklegen. Natürlich legen wir noch einen Bier-Stopp beim Metzger an der Strasse ein. Die geschlachtete Ziege hängt schon seit dem ersten Tag in der (gekühlten!!) Vitrine und wird von Tag zu Tag kleiner und obschon wir mit dem Wirt kein Wort sprechen können, sind wir herzlich willkommen. Zwei Bier, etwas Salat und frisches Fleisch vom Grill verkürzen die lange Wartezeit bis zum Nachtessen.
Ebenfalls wegen fehlender Sprachkenntnis machen wir einen ungewollten Ausflug mit dem öffentlichen Bus nach Antalya, mitten ins Zentrum. Da erst einmal angekommen, wissen wir nicht mehr, wie zurück, denn den Namen des Dorfes können wir immer noch nicht richtig aussprechen. Da überall in der Nähe des Camps „Alabalik“ angeschrieben ist, versuchen wir diesen Ort dem Taxifahrer als Ziel anzugeben. Dieser hebt jedoch nur die Schultern und schüttelt den Kopf. Erst nach einigen Minuten wird ein englisch sprechender Verkäufer beigezogen, der uns dann erklärt, dass „Alabalik“ soviel wie Forelle oder Fischrestaurant bedeutet und der Taxifahrer deshalb nicht weiss wohin. Als wir dann auf der Landkarte unser Dorf wieder entdecken, fragen sie uns mehrmals, ob wir sicher sind, denn da sind doch die vielen Ziegen zu hause!
Wir haben 11 Tage klettern mit vielen Ziegen, wilden Schildkröten und zahmen Wildschweinen, Fleisch und Bier beim Metzger, Fisch und Wein bei Alabalik, super Frühstück und Nachtessen im Camp erlebt. Wir konnten sogar alle Schulden begleichen (bar in Euro oder türk. Lira). An den Fingerkuppen löst sich die Haut in Fetzen ab und schon träumt man wieder vom nächsten Jahr und der Frage: Wohin geht’s wohl zum Klettern mit Mini?

BerichterstatterIn
Michael Kirsch